Donnerstag, 31. März 2011

Gaetano Brunetti, Streichquintett B-Dur op. 7,3


1771. Kein besonders auffälliges Jahr in der Geschichte der Menschheit: In Deutschland herrscht wieder einmal eine große Hungersnot, in Schweden besteigt ein neuer König den Thron, der berühmte bayerische Räuberhauptmann Matthias Klostermayr (der „Hiasl“) wird verhaftet und hingerichtet – und in Madrid wird das Streichquintett erfunden. Sein Erfinder: der legendäre Luigi Boccherini, Kammerkomponist des spanischen Prinzen Luís Antonio de Borbón y Farnesio. Oder etwa nicht? Und wer ist dann eigentlich dieser Gaetano Brunetti, der im selben Jahr eine Folge von sechs Quintetten für zwei Violinen, zwei Bratschen und Violoncello drucken ließ?

Geboren wurde er 1744 in Italien – vermutlich in Fano – und erwarb sich rasch einen Ruf als herausragender Geigenvirtuose. 1767 begegnen wir ihm am Madrider Hof, wo er unter Karl III. bis zum Violinlehrer und Musikmeister des Prinzen von Asturien, dem späteren König Karl IV., aufstieg. Unter dessen Regentschaft gewann das Musikleben am spanischen Hof an Bedeutung und Brunetti übernahm schließlich die Leitung des 1795 gegründeten königlichen Kammerorchesters.

Wenn das idealtypische Streichquartett nach Goethes Definition eine Unterhaltung unter vernünftigen Leuten darstellt, so ist Brunettis von Tilman Sieber vorgelegtes Quintett eine erregte Diskussion im Debattierclub der Hauptstadt. Lustvoll, virtuos und nicht ohne Humor werden hier Themen und Motive zwischen den fünf Disputanten aufgeteilt, von einer neuen Seite beleuchtet oder karikiert. Weil alle Stimmen beständig ihre Funktion wechseln – nicht einmal die erste Geige spielt ihre Rolle als „primus inter pares“ aus – ergibt sich ein feinnerviger und quicklebendiger Streichersatz mit feinsten klanglichen Abstufungen. Sturm und Drang unter der spanischen Sonne, und eine Musik, die den Vergleich mit Haydns Kammermusik nicht zu scheuen braucht – und die Musik seines Kollegen Boccherini sogar in den Schatten stellt. Schade, dass Brunettis Musik so lange warten musste, bis sie endlich den Dornröschenkuss eines Verlages erhielt. Aber nun kann das Leben ja weitergehen – und wer weiß, welche Schätze noch in den Archiven schlummern. 

Gaetano Brunetti
Streichquintett B-Dur op. 7,3
Herausgegeben von Tilman Sieber
Edition Schott ED 20 427
EUR 39,95