Donnerstag, 30. Oktober 2014

Klaviermusik für trübe Herbsttage




Alle Jahre wieder die gleiche Frage: Was spielen, wenn die Tage kürzer und die Abende länger werden? Bis 22 Uhr darf auch in der Altbauwohnung musiziert werden und wenn man sich für sechs Uhr abends Freunde zum Essen eingeladen hat, bleibt viel Zeit für musikalische Divertimenti im Musikzimmer. Vielleicht kann man sich sogar ein musikalisches Menü zusammenstellen?

Als hors d’euvre empfiehlt sich Luis Zett, dem es immer wieder gelingt, mit leichter Hand Anspruch und Unterhaltung zu verbinden. Seine „Farben der Stille“ wollen nicht mehr als die „Grenzen des Schweigens“ erproben – ganz im Sinne Ludwig Wittgensteins: „Worüber man nicht sprechen kann, davon muss man schweigen“. Seine elf Miniaturen zelebrieren das „Jetzt“, sie wollen nichts erzählen und kreisen in meditativer Ruhe um sich selbst. Das tun sie aber in so „farbiger“ Art und Weise, dass die Viertelstunde, die dieses Heft dauert, wie im Fluge vergeht.

Zeit für den „Fischgang“. Der wird zubereitet von Maitre Cesar Franck – „Souvenirs d’Aix-la-Chapelle“ – Musikalische Postkartengrüße aus Aachen, der Franck nicht nur als Organist an der Kathedrale von Liége geographisch nahestand, sondern der er auch persönlich verbunden war: Seine Mutter war Aachenerin und auch die Familie seines Vaters stammte aus dem belgisch-deutschen Grenzgebiet vor den Toren der Kaiserstadt. Ein im Verlauf des Werkes immer wiederkehrendes Choralmotiv begleitet den Spieler – wie die Promenade aus den „Bildern einer Ausstellung“ – durch eine wechselvolle und erfindungsreiche Bilderfolge. Verhältnismäßig leicht zu spielen und in bester romantischer Manier läutet es mit einem (dem Aachener Münster abgelauschten?) Glockenmotiv den Hauptgang ein.

Den bilden – vorausgesetzt, man hat in weiser Voraussicht einen ebenfalls klavierspielenden Freund eingeladen – die „romantischen Duette“ von Rodion Shchedrin, der ja immer wieder gerne den Geist der Romantik in sein eigenes – von Schnittke und Schostakowitsch nicht unbeeinflusstes – Schaffen einfließen lässt. Hier zeigt er sich auf der Höhe seines Könnens und erinnert in einer Folge von raschen Läufen im scherzohaften Mittelteil daran, dass die musikalische Romantik nicht nur die „Blaue Blume“ betrachtete, sondern sich auch an genialischer Virtuosität erfreute. In diesem Falle ist sie aber mit etwas Übeaufwand auch von Nicht-Profis gut zu bewältigen.

Nach einem so gehaltvollen Hauptgang muss etwas Leichtverdauliches folgen. Warum also nicht zu den wunderschön harmonisierten, sehr effektvoll dem Instrument auf den Leib geschriebenen und dennoch leicht vom Blatt zu spielenden irischen Liedern aus dem „Celtic Piano Book“ greifen? Mit Patrick Steinbach und Thomas Peter-Horas hat sich hier ein Herausgeberteam gefunden, das eine tiefes Verständnis und Liebe zur irischen Volksmusik mit einem profunden Können als Bearbeiter verbinden kann. Dass der Klavierausgabe zudem eine separate Melodiestimme – zum Teil mit unterlegten Texten – beilliegt, erhöhte den Gebrauchswert dieser Ausgabe erheblich.

Als Dessert empfiehlt sich – ebenfalls aus der Edition Peters – das eine oder andere Stück aus den sehr filmmusikalischen „Klaviergedichten“ von Theodor Köhler: „la belle dame sans merci“, das in seinem Gestus an die „Fabelhafte Welt der Amelie“ erinnert… oder der in gedeckten Farben gehaltene „Herbst“… oder freche Scherzi wie „The Pug“ (Der Mops) oder „Stop all the Clouds!“. Nd wenn sich die Aufregung wieder etwas gelegt hat, kann man ja über „Day in, day out“ (Nr. 11) zur „Nachtwache“ (Nr. 8) übergehen.

Oder man entschließt sich nach gehabtem inhäusigen Vergnügen noch zu einem kleinen Stadtbummel in die Nacht. Irgendeine Bar oder ein monädnes Tanzcafé wird ja wohl noch geöffnet haben. In so einem Falle spiele man nach der Rückkehr (bei bereits geöffneter Wohnungstür, damit auch die Nachbarn etwas davon haben) zu vier Händen den letzten Satz aus einer Reihe von Bearbeitungen der Bach’schen „Bauernkantate“, die Klaus Reinhardt angefertigt hat und die von ihm in einem Privatdruck zu beziehen, der sich hinter „offiziellen“ Verlagsveröffentlichungen nicht zu verstecken braucht: „Wir gehen nun, wo der Tudelsack in unsrer Schenke brummt“. 



Luis Zett
Farben der Stille
Ricordi Sy. 2837
EUR 9,50
Schwierigkeitsgrad: 2

Cesar Franck
Souvenirs d’Aix-la-Chapelle
Herausgegeben von Heribert Koch
Edition Dohr 27501
EUR 26,80
Schwierigkeitsgrad: 3-4

Rodion Shchedrin
Romantic Duets
Sieben Stücke für Klavier zu vier Hände
Edition Schott 20321
EUR 24,95
Schwierigkeitsgrad: 4

Patrick Steinbach / Thomas Peter-Horas
The Celtic Piano Book
Edition Peters EP 11087
EUR 17,80
Schwierigkeitsgrad: 2-3

Theodor Köhler
Piano Poems
Edition Peters EP 11080
EUR 11,80
Schwierigkeitsgrad: 2-3

Johann Sebastian Bach
Neun Sätze aus der „Bauernkantate“ BWV 212
Bearbeitung als Suite für Klavier zu vier Händen von Klaus Reinhardt
Privatdruck 2006
EUR 12,-
Klaus Reinhardt, St. Magnus-Str. 39, 27721 Ritterhude
Schwierigkeitsgrad: 2

 

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