Dienstag, 5. Juli 2011

Anton Ferdinand Titz | Sechs Streichquartette (1781)



Anton Ferdinand Titz
Sechs Streichquartette (1781)
Herausgegeben von Klaus Harer
Edition Gravis ED 1839-1 / EG 1839-2
EUR 29,80 je Band

Mit Anton Ferdinand Titz betritt ein weiteres Phantom der Musikgeschichte die kleine Bühne dieser Kolumne. Nur wenige biographische Daten aus dem Leben des russischen Hofvirtuosen sind durch Dokumente belegt. Geboren wurde er vermutlich um 1740 in Nürnberg, geigte im Orchester der Sebaldus-Kirche und verließ seine Heimatstadt, nachdem seine erste große Liebe auf wenig Widerhall traf. Um 1760 finden wir ihn in Wien, wo er alsbald die Bekanntschaft Christoph Willibald Glucks macht, dem der junge Musiker offensichtlich sympathisch ist und Titz in sein Opernorchester aufnimmt. Bei einer „musikalischen Akademie“ des Fürsten Lobkowitz wird der russische Staatsbeamte Pjotr Alexandrowitsch Sojmonow auf ihn aufmerksam und lud ihn nach Russland ein. 1771 ging Titz nach Sankt Petersburg.

Und dort besuchte ihn 1803 Louis Spohr. Geiger und Komponist wie Titz, allerdings jünger und smarter als der als „veraltert“ geltende Titz, der zu diesem Zeitpunkt schon den Ruf einer gewissen Eigenwilligkeit genoss. Da war Titz bereits tief in den Abgründen seiner manisch-depressiven Erkrankung versunken, versank oft wochenlang in Schweigen, fühlte sich von einem bösen Zauberer verfolgt, der ihm de Mittelfinger seiner linken Hand verhext habe, damit er nicht mehr geigen könne. Spohr hatte dafür nur ein spöttisches Lächeln übrig, wie für die als veraltet geltende Spielweise des Musikers. Doch über dessen Stellenwert als Komponisten ließ er keinen Zweifel aufkommen. „Ist nun Titz auch kein großer Geiger, noch weniger der größte aller Zeiten, wie seine Verehrer behaupten, so ist er doch unbezweifelt ein musikalisches Genie, wie seine Kompositionen hinlänglich beweisen“.

Eien Ansicht, die auch andere Musiker teilten: 1805 schrieb Korrespondent der „Allgemeinen Musikalischen Zeitung“: „Titz wohnt im Hause Teplows und genießt aller der Schonung und Sorgfalt, die jener unerklärliche Seelenzustand verlangt, und aller der Auszeichnung, die der im Adagio noch nicht übertroffene Künstler verdient.“

Die sechs hier vorgelegten Quartette sind vermutlich noch in Wien entstanden, wo sie 1781 auch (bei Artaria) erschienen sind. Titz erweist sich in Ihenn als Meister der musikalischen Form und spieltechnischer Finessen. Sprachlos macht den unvorbereiteten Hörer vor allem das unbändige d-moll-Quartett (Nr. 5), dessen zerrissener und tragischer Tonfall die Zeit von „Sturm und Drang“ bereits weit hinter sich lässt. Von besonderer Schönheit sind jedoch tatsächlich die „unübertroffenen“ Adagios: ganz gleich, ob in den Variationen des A-Dur-Quartetts (Nr. 2) oder den skurilen Launen des c-Moll-Quartetts (Nr. 3).

Die von Klaus Harer verantwortete Ausgabe bietet einen soliden Notentext auf der Basis neuester Erkenntnisse der Quellenforschung, ist sauber gesetzt und bietet problemlos spielbare Einzelstimmen mit guten Wendestellen und viel Platz für Bleistifteintragungen. Was will man also mehr?

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