Montag, 4. Juli 2011

Johann Sigismund Kusser, La cicala della cetra D’Eunomio



Johann Sigismund Kusser
La cicala della cetra D’Eunomio
Sechs Consortsuiten für 2 Oboen, Fagott, Streicher und B.c.
Herausgegeben von Michael Robertson
Edition Walhall EW 747
EUR 29,80

Der Trip nach Paris gehörte für jung deutsche Adelige des ausgehenden 17. Jahrhunderts zum festen Bestandteil ihrer Ausbildung, der „Grand Tour“. Sie stellte ursprünglich den Abschluss der Erziehung dar und sollte der Bildung des Reisenden den „letzten Schliff“ geben. Die jungen Männer suchten insbesondere bedeutende europäische Kunststädte auf reisten durch malerische Landschaften und sprachen an europäischen Fürstenhöfen vor. Dabei sollten sie Kultur und Sitten fremder Länder kennenlernen, neue Eindrücke sammeln und für das weitere Leben nützliche Kontakte knüpfen. Weiter diente die Tour der Vertiefung von Sprachkenntnissen sowie der Verfeinerung von Manieren, allgemein dem Erwerb von Weltläufigkeit, Status und Prestige. Gerade für adlige Reisende war es auch reizvoll, Lektionen französischer oder italienischer Fechtmeister in Anspruch zu nehmen oder sich mit fremden Tänzen vertraut zu machen. Besonders das höfische Zeremoniell Ludwigs XIV. und seines Kapellmeisters Lully war Gegenstand von Bewunderung und Nachahmung.

Dies hatte zur Folge, dass man – glücklich wieder heimgekehrt – auch von deutschen Hofmusikern verlangte, sich mit dem vor allem in Paris Gehörten vertraut zu machen, auf dass ein Hauch von Paris auch über die Tanzböden von Sigmaringen, Waldeck, Wittgenstein oder Berleburg wehe.

Auch in Ansbach, wo der 1660 in Pressburg geborene und in Paris ausgebildete Johann Sigismund Kusser die Hofkapelle befehligte, wurde aufwändig und langwierig geprobt, um den französischen Stil auch in Mittelfranken heimisch zu machen. Das ging nicht ohne Reibungsverluste ab, die „täglichen Exercitij“ in Sachen Bogenführung und Phrasierung gingen mindestens einem Musiker so sehr „gegen den Strich“, dass er um seine Entlassung bat.

Um welche Musik es sich dabei handelte, die unserem unbekannten Musiker so sehr missfiel, lässt sich anhand der schönen Neuausgabe der „Sechs Suiten“ in der Edition Walhall studiern, von denen nun die zweite erschienen ist. Der Einfluss Lullys ist unverkennbar: gravitätische Punktierungen in den langsamen Sätzen, fugierte Einsätze in den schnellen Passagen und das alles gehüllt in ein prächtiges und üppiges Gewand aus Klängen. Nur in harmonischer Hinsicht bricht bei Kusser – oder Jean Sigismond Cousser wie er sich nach seinem Frankreichaufenthalt nannte – immer wieder der Böhme durch. Bukolisches F-Dur, das an heiße Sommertage und endlose Weizenfelder erinnert und volksliedhafte Wendungen. Hier steht Cousser/Kusser ganz in mitteldeutscher Komponiertradition. Eine echte Entdeckung, für die man Herausgeber Michael Robertson dankbar sein darf.



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