Sonntag, 12. Oktober 2014

Antonín Dvorák | Streichsextett A-Dur op. 48




Dass Antonín Dvořák sein einziges Streichsextett im selben Jahr komponiert hat wie seine Slawischen Tänze, hört man dem Werk an. 1878 entstanden, eröffnet es die „böhmische Periode“ in der Kammermusik des Komponisten – in ebenso mitreißender wie hoch-romantischer Manier.
Dvořáks Kammermusik lässt sich in zwei große Stilperioden unterteilen. In der ersten, die bis 1875 reicht, experimentierte der noch kaum bekannte Komponist unter dem Einfluss Richard Wagners mit Chromatik und neuartigen Formen. Nach dem Gewinn des Österreichischen Staatsstipendiums 1875 wandte er sich dem Stilideal von Johannes Brahms zu, der sich fortan als eifriger Förderer und enger Freund des Komponisten vielfach bewähren sollte. Außerdem spielte die tschechische Volksmusik von nun an die für seine späteren Werke so bedeutsame Rolle.

Im Streichsextett manifestiert sich das „Böhmische“ in vielen Facetten: mal melancholisch singend wie zu Beginn des ersten Satzes und in der Dumka, mal mitreißend tänzerisch wie im Scherzo. Mit der Besetzung verneigte sich Dvořák vor seinem Mentor Brahms, denn in der Gattung des Streichsextetts war es der Hamburger, der die Musterbeispiele vorgegeben hatte. Dvořák wählte ganz bewusst eine andere Tonart als Brahms in seinem B-Dur- und G-Dur-Sextett. Das leuchtende A-Dur wirkt wie ein Nachhall auf Schuberts „Forellenquintett“, wird aber immer wieder von Mollschatten getrübt.

Nicht selten erreichen die Streicher orchestrale Klangfülle, die eben auch Brahms begeisterte: „Es ist unendlich schön. [...] Diese herrliche Erfindung, Frische und Klangschönheit.“ Bei der Bezeichnung des zweiten Satzes („Dumka“) bezog sich Dvořák zum ersten mal auf einen ukrainischen Volksliedtypus, in dem sich elegische und tänzerische Partien abwechseln. Auch der dritte Satz „Furiant“, ein schneller böhmischer Tanz, sowie das Finale, in dem ein liedhaftes Thema mit immer neuen Gegen- und Begleitstimmen fünf Variationen durchläuft, verweisen auf ein national geprägtes Klangidiom. Schließlich, so Dvořák, seien die Mittelsätze „von ähnlichem Stil wie die ‚[Slawischen] Tänze‘ oder die Rhapsodien“.


Antonín Dvorák 
Streichsextett A-Dur op. 48
Herausgegeben von Jarmil Burghauser und Antonín Cubr
Bärenreiter Verlag BA 9566
EUR 25,99



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