Sonntag, 12. Oktober 2014

Antonio Salieri | Vier Serenaden für Bläser und Kontrabass




„Gewiß ist auch Salieri fast einzig in seiner Art zu nennen, wenigstens gewiß der Erste unter den Italiänern, der seinen eignen Weg geht und über seine Kunst nachzudenken im Stande ist. Er besitzt zugleich Kenntniß des Theaters und dessen, was hier Wirkung macht, und wird immer den Ruhm eines der ersten Theater-Componisten behaupten.“

Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 5. Amsterdam 1809



Die Liebe für die Bläser vereinte im späten 18. Jahrhundert so gegensätzliche Naturen wie Kaiser Joseph II. und den Trierer Kurfürsten Clemens Wenzeslaus, Haydns Dienstherrn Fürst Esterházy und Mozarts Erzbischof Colloredo. Als Kurfürst Max Franz von Köln bei der Kaiserkrönung seines Bruders Leopold in Frankfurt 1790 ein „Lustlager“ für mehrere Fürsten abhielt, hörte „die Taffelmusic gar nicht auf, solange sie speiseten”, wie ein sächsischer Offizier notierte; und Erzbischof Colloredo legte bei der Einstellung eines neuen ersten Oboisten 1778 Wert darauf, „die blasende Instrumenten wiederum auf jenen Fuss zu sezen…, wie selbe schon einsmahls waren, um auf Unser Verlangen bey der Tafel eine Musique mit blasenden Instrumenten erfolgen zu lassen”.

Mozart ist – als der von Joseph II. durchaus nicht bevorzugte Wiener Meister – nur einmal für die Bläser des kaiserlichen Hofes in Wien tätig geworden: in einem Brief aus Wien vom 27. Juli 1782 berichtete er seinem Vater: „ich habe geschwind eine Nacht Musique machen müssen, aber nur auf harmonie...”.

Doch nicht nur Mozart wurde von der Nachricht in fieberhafte Eile versetzt, sondern auch sein Kollege Antonio Salieri, der damals noch nicht kaiserlicher Hofkapellmeister, sondern nur ein vom Kaiser protegierter Hofkomponist war und deshalb auf Gunstbeweise angewiesen. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass seine bislang bekannten Harmoniemusiken für die kaiserlichen Bläser bestimmt waren, wachte Joseph II. doch eifersüchtig über die musikalischen Wege seines Schützlings. Und im Gegensatz zu Mozart schrieb er gleich eine ganze Reihe von „Harmoniestücken“.

Man hat Salieri in den letzten Jahren Gerechtigkeit widerfahren lassen. Die (historisch nicht belegbaren) Gerüchte um seine Feindschaft zu Mozart und gar seine Schuld an dessen frühen Tod haben ihm den Nachruhm so gründlich verhagelt, dass es zwei Jahrhunderte brauchte, bis sich auch größere Teile der musikalischen Öffentlichkeit ernsthaft mit seiner Musik auseinandersetzten. Und so erstaunt es nicht, dass Zug um Zug auch bis dato unbekannte Kompositionen Salieris ans Tageslicht kommen – wie etwa die hier vorgelegten Bläserserenaden, die in der Österreichischen Nationalbibliothek ein unbeachtetes Dasein fristeten.

Es handelt sich um hervorragend gearbeitete Spielmusik zur Unterhaltung, die immer wieder durch ihren fein ausgehörten Bläsersatz erfreut. Die teils aparten Klangmischungen erinnern ein wenig an seinen späteren Schüler Franz Schubert, besonders an dessen 6. Symphonie, in der sich die Bläser des Orchesters endgültig von den Streichern emanzipieren. Mal werden zwei oder drei unterschiedliche Klanggruppen einander gegenübergestellt, dann treten wieder einzelne Instrumente solistisch hervor. Harmonisch ist das – wie so oft bei Salieri – nicht ganz so originell. Aber einen ähnlichen Befund müssen wir bekanntlich auch bei Berlioz anstellen, der in den letzten Jahrhunderten oft genug gespielt worden ist.



Antonio Salieri
Vier Serenaden für Bläser und Kontrabass
2 Fl, 2 Ob, 2 Hrn, Fag, Kb
Partitur und Stimmen
Herausgegeben von Werner Rainer
Doblinger Diletto Musicale DM 1385
EUR 28,-


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