Mittwoch, 23. Mai 2012

Georg Philipp Telemann | Essercizii musici

„Nicht Bach hätte er heißen sollen, sondern Meer“, soll Beethoven einmal über den Thomaskantor gesagt haben – aber was wäre dann sein Freund (und Taufpate seines jüngsten Sohnes) Georg Philipp Telemann? Ein Ozean? Allein die Zahl der von Telemann geschriebenen Kirchenkantaten ist höher als alle Titel des Bach-Werke-Verzeichnisses – ganz zu schweigen von Opern, Sonaten, Suiten und Concerti grosso, Liedern, Oratorien... Am Ende seines Lebens seufzte selbst der Vielschreiber Telemann, er habe sich „leer geschrieben“.
Welchen Rang sich Telemann freilich sonst zumaß, verrät die Schlussbemerkung seiner bereits 1718 niedfergeschriebenen Autobiographie: „Und ob gleich nicht alles / was ich gemacht / nach eines jedweden Geschmack seyn wird noch kann / so halte doch dafür / che anco le cose, che non piacciono, si possono godere“ („dass man selbst jene Dinge genießen kann, die einem nicht gefallen“). Zehn Jahre später wird er musikalisch Bilanz ziehen und eine Folge von 24 Concerti veröffentlichen, in denen sich Solo- und Triosonaten die Wage halten und eine vielfältige Instrumentierung aufgeboten wird: wir finden Stücke für Blockflöte, Querflöte, Oboe, Violine, Viola da gamba und Cembalo, wobei jedem von ihnen zwei Solowerke zugewiesen sind und außerdem jedes von ihnen mit einem obligaten Part an vier Triosonaten beteiligt ist.

Auch in formaler Hinsicht beschreitet Telemann neue Wege, kombiniert italienische Formen (etwa die von Corelli bekannte Satzefolge langsam-schnell-langsam-schnell) mit französischem und sogar slawischem Stil zu einem völlig eigenständigem Ganzem.

Sechs der zwölf Solosonaten sind nun als Urtext-Ausgabe im Bärenreiter-Verlag erschienen. Herausgeber Klaus Hofmann hat die Werke für Violine, Oboe und Flöte herausgesucht, was sicherlich auch einer praktischen Verlagsentscheidung geschuldet ist: auf einen Gambisten kommen wahrscheinlich hundert Geiger oder Flötisten. Dennoch ist angsichts des musikalischen Reichtums, der guten Spielbarkeit und ihrer vielseitigen Einsetzbarkeit zu hoffen, dass auch die übrigen achtzehn Sonaten als praktische Einzelausgabe ihren Weg in die Welt finden werden.


Georg Philipp Telemann | Essercizii musici
Zwei Sonaten für Flöte und Basso continuo | Bärenreiter Verlag BA 5890 | EUR 19,95
Zwei Sonaten für Oboe und Basso continuo | Bärenreiter Verlag BA 5889 | EUR 19,95
Zwei Sonaten für Violine und Basso continuo | Bärenreiter Verlag BA 5880 | EUR 16,95


     

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