Mieczysław Weinberg | Streichquartett Nr. 13 | Partitur und Stimmen | Edition Sikorski 2413 | EUR 25,-
„Ich sehe es als meine moralische Pflicht, vom Krieg zu schreiben, von
den Gräueln, die der Menschheit in unserem Jahrhundert widerfuhren.“
Mieczysław
Weinberg
Dmitrij Schostakowitsch: der Übervater der russischen Musik
des 20. Jahrhunderts warf einen langen Schatten, der den Blick auf andere
Komponisten verstellte. Schostakowitschs 15 Sinfonien gehören zum eisernen
Bestand der Moderne, ebenso wie die Streichquartette und die Klaviermusik und seine
„Lady Macbeth von Mzensk“ wurde die russische Oper des 20. Jahrhunderts
schlechthin.
Mieczysław Weinberg hingegen ist nur wenigen
Musikfreunden ein Begriff. Im Jahre 1919 wird Weinberg in eine Warschauer Musikerfamilie
geboren. Rasch zeigt sich eine außergewöhnliche Begabung, der Junge komponiert
autodidaktisch erste Klavierstücke und Lieder, mit sechzehn auch seine erste
Filmmusik. Am Konservatorium wird er von Józef Turczynski zu einem exzellenten
Pianisten ausgebildet. Als Deutschland 1939 Polen überfällt, flüchtet er mit
seiner zwei Jahre jüngeren Schwester in die Sowjetunion. Ester ist den
körperlichen Strapazen jedoch nicht gewachsen und kehrt nach wenigen Kilometern
um. Da sieht Weinberg sie zum letzten Mal. Erst ein Vierteljahrhundert später
wird er erfahren, wo die Nazis seine Familie ermordet haben. Ein Trauma, das
ihn bis ins hohe Alter verfolgt: Komponieren ist für ihn vor allem Trauerarbeit
– mit Musik will er an das tragische Schicksal seiner Familie und Millionen
anderer Menschen erinnern.
Seit der im vergangenen Jahr erfolgten Uraufführung
seiner Oper „Die Passagierin“ auf der Seebühne der Bregenzer Festspiele scheint
hat auch der Konzertbetrieb die Musik von Mieczysław Weinberg entdeckt. Und zu
entdecken wäre einiges: Der enge Freund Schostakowitschs schrieb mehr
Sinfonien, mehr Streichquartette und mehr Opern als dieser, und vieles davon
steht den Werken seines großen Mentors in nichts nach. Schostakowitsch selbst
hat das immer wieder neidlos anerkannt. Er empfahl und protegierte den vierzehn
Jahre Jüngeren bei jeder sich bietenden Gelegenheit.
Dem Freund und Förderer ist auch das 13. Streichquartett
gewidmet. Nach seinem zwölften Quartett (1969-70) legte der Komponist eine
längere Pause ein, um sich vier Opern, drei Sinfonien und anderen großen
Projekten zu widmen. Bis 1981 folgten dann die Quartette Nr. 13-16. Das vorliegende
Werk besteht – wie auch das dreizehnte Quartett seines Freundes Schostakowitsch
– aus einem einzigen Satz von ca. 15 Minuten Spieldauer. Es war Weinbergs
erstes Quartett nach dem Tod Schostakowitschs. Es ist ein sehr intimes und
berührendes Werk, voll gefasster Trauer und Wärme – wie ein Gespräch unter
Freunden, die sich des verstorbenen Freundes erinnern. Wie Schostakowitsch hält
auch Weinberg das tonale Zentrum in der Schwebe und schafft auf diese Weise ein
ganz eigenes „clair obscure“.
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