Mittwoch, 23. Mai 2012

Thomas Daniel Schlee | Jubilus





Thomas Daniel Schlee | Jubilus für Violine, Violoncello und Klavier op. 35a | Bärenreiter Verlag BA 9369 | EUR 17,95

„Es gibt Häuser in Wien, da werden die Programme nicht von einem allein gemacht, sondern von sogenannten ,Spezialisten'. Und gerade auf dem Gebiet der ,Neuen' Musik, wenn Sie da nicht in den ästhetischen Kram passen, dann kriegen Sie eine auf die Finger geklopft. Ich habe es auch an mir erlebt, dass ich den ,Hauptströmungen der Avantgarde' gegenüber ungehorsam gewesen bin, von denen man meint, ich müsse ihnen auf Grund meiner Geburt ein ganzes Leben lang dienlich sein. Nein – wieso? – ich denk nicht dran!”

- Thomas Daniel Schlee



In Österreich kennt man Thomas Daniel Schlee nicht nur als Komponisten, sondern auch als Intendanten des Carinthischen Sommers. Seit nunmehr 40 Jahren stellt die barocke Stiftskirche am Ossiacher See das Zentrum des bedeutendsten Sommerfestivals in Kärnten dar. 2007 schrieb er für die mit 300 Plätzen vergleichsweise kleine Stiftskirche die geistliche Oper „Ich, Hiob“ – nicht sein einziger Ausflug in die geistliche Musik der Moderne.

Der Vater des Komponisten war der legendäre Alfred Schlee (1901-1999), der als Direktor der Universal Edition selbst in den schwierigen Jahren der Nazi-Diktatur die bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts protegierte und an das Haus binden konnte. Sein Sohn ist unter anderem Organist, hat in Paris bei Olivier Messiaen Komposition studiert und danach in Wien Musikwissenschaft und Kunstgeschichte.

"Jubilus“ ist für das JESS-Trio geschrieben, ein Auftragswerk für das Kunsthaus Mürzzuschlag, das das kulturelle Leben in der steiermärkischen Kulturmetropole seit vielen Jahren prägt. Auch Schlee lässt sich hier gerne inspirieren, so wie vor ihm schon Johannes Brahms und Gustav Mahler.

Das gut achtminütige Trio sieht auf den ersten Blick etwas knifflig zu spielen aus. Daran hat sicherlich die auf Präzision abzielende Notationsphilosophie ihren Anteil. Wenn man sich aber erst einmal hineingefuchst hat, entpuppt sich das Werk als durchaus spielbar heraus, wozu auch das langsame Grundtempo beiträgt. In der Wahl der kompositorischen Mittel verfährt Schlee dabei ebenso unorthodox, wie es das oben angeführte Zitat vermuten lässt. Mit der Zweiten Wiener Schule ist er buchstäblich aufgewachsen – in der Wohnung seiner Mutter steht nach wie vor der Flügel von Anton Webern – und er verwendet ihre Errungenschaften ebenso selbstverständlich wie das bei Messiaen Erlernte und schafft es sogar, der latenten Zwölftönigkeit gregorianische Formsprache zu unterschieben. Das ist ebenso originell wie berührend. Manchmal muss man eben gegen die „Hauptströmungen der Avantgarde“ schwimmen…



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