Wie man den Klang von Streichinstrumenten und Hörnern auf elegante und aufregende Weise kombiniert, hat schon ein Menschenalter vor Mozart und Beethoven der Köthener Kapellmeister Bach in seinem 1. Brandenburgischen Konzert vorgemacht. Wie dort ein ohnehin schon peppiges Concerto grosso durch den Einfall einer wilden Parforcejagd mit den dazugehörigen Hörnern aufgejazzt wird, bis es die Zuhörer von den Stühlen reißt: das war bereits 1721 großes Kino! Man darf ja nicht vergessen, dass dem Horn immer noch der Ruf des Naturinstruments für Feld, Wald und Pachtwiesen anhing. Erst allmählich fand es seinen Platz in der Orchestermusik und blieb noch (mit Ausnahme des Bläserquintetts) bis ins 20. Jahrhundert ein Exot in der Kammermusik.
Wie man ein paar Generationen nach Bach mit der reizvollen Kombination Horn vs. Kammermusik umging, zeigen drei Neuerscheinungen dieser Wochen.
Dass sich Mozart gleich mehrfach auf das Abenteuer einließ, ist sicherlich seiner Freundschaft zu Ignaz Leutgeb zu verdanken. Dem außergewöhnlichen Hornvirtuosen schrieb er gleich drei Konzerte auf den Leib – und eben das außergewöhnliche Quintett KV 407. Statt mit zwei Violinen ist das begleitende Streichquartett mit zwei Bratschen besetzt, was dem dunklen, warmen Timbre des Horns entgegenkommt und dem Werk seine besondere Klangwirkung verleiht. Gelegentlich dringen Anklänge aus Mozarts „Entführung aus dem Serail“ an das Ohr des Hörers, was für eine Entstehungszeit um 1782 spricht. Genaues weiß man nicht – das Autograph ist verschollen.
Mit dem Triumphzug der Wiener Klassik im Gefolge der Aufklärung wandelten sich nicht nur die sozialen Umstände, unter denen Musik gemacht wurde. Auch die Ästhetik nach 1800 war eine völlig andere. Ganze Formen und Besetzungsformen verschwanden spurlos: etwa das Divertimento, für das im bürgerlichen Zeitalter, das lieber selbst musizierte, als seine Hofkapelle auftreten zu lassen, kein Platz mehr war. Da verwundert es kaum, dass auch Beethoven nach 1800 keine Kammermusik für Bläser mehr schrieb. Er hatte dem Genre ohnehin skeptisch gegenüber gestanden… 1795 hatte er hingegen noch Zeit, Lust (und wahrscheinlich auch einen Auftraggeber) für das vor allem in den Hornstimmen erstaunlich virtuose Sextett op. 81b. Die Henle-Ausgabe bietet die Basspartie erstmals so, wie von Beethoven vorgesehen: für Violoncello und verstärkenden Kontrabass. Außerdem enthält sie zusätzlich zu den originalen Hornstimmen in Es transponierte Stimmen in F.
Mit seinem musikalischem Genie reicht der 1780 geborene Johann Friedrich Nisle sicherlich nicht an die Riesen Mozart und Beethoven heran – dafür verfügt er ihnen gegenüber einen Vorteil: Nisle war nicht nur ein tüchtiger Komponist mit genialischen Zügen, sondern muss auch ein exzellenter Hornist gewesen sein. Sein Quintett in der ungewöhnlichen Besetzung für Flöte, Violine, Viola, Horn und Violoncello fällt durch unorthodoxe Formen und eine gewisse Kleingliedrigkeit auf, die man auch als „atemlos“ bezeichnen könnte. Dem ersten Satz geht eine lange mehrteilige Einleitung voran, im Zentrum steht ein Menuett und als Abschluss dient ein „alla siciliana“. Der Hornpart bereitet einem geübten Spieler wahrscheinlich keine ernsthaften Probleme, ist jedoch auf einem Naturhorn wegen der zahlreichen Wechseln zwischen offenen, halboffenen und gestopften Tönen kaum zu spielen. Nisle muss wirklich ein exzellenter Virtuose gewesen sein! Die Häufung wechselnder Affekte und die abrupten Übergänge verleihen dem Werk einen zerrissenen Charakter, der im Konzert sehr effektvoll werden kann. Wenn es denn zu einer Aufführung kommt: der gepfefferte Preis von 125 Euro für nicht besonders aufwändig gestaltete Partitur und Stimmen dürfte viele Musiker abschrecken.
Wolfgang Amadé Mozart
Hornquintett Es-Dur KV 407 (386c)
Herausgegeben von Henrik Wiese und Norbert Müllemann
G. Henle Verlag
Studienpartitur HN 9826 / Stimmensatz HN 826
EUR 8,- / Eur 16,-
Ludwig van Beethoven
Sextett Es-Dur op. 118b
2 Hrn, 2 Vl, Vla und Bass
Herausgegeben von Egon Voss
G. Henle Verlag
Studienpartitur HN 9955 / Stimmensatz HN 955
EUR 10,- / EUR 20,-
Johann Friedrich Nisle
Quintuor op. 26 für Flöte, Violine, Viola, Horn und Violoncello
Herausgegeben von Christian Vitalis
Edition Dohr
Partitur ISMN M-2020-1396-0 / Stimmensatz ISMN M-2020-1397-7
EUR 49,80 / EUR 75,80
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