„Lange zerbrach sich Kajurukre, der alles Nützliche brachte, den Kopf,
wie er den Indianern die Langeweile erträglicher machen könne. Es mangelte
ihnen an nichts, doch allzuoft saßen sie vor ihren Behausungen, wechselten kaum
ein Wort miteinander, und ein Tag verging wie der andere. Die Vögel dagegen
sangen Tag und Nacht und zwitscherten und schwatzten, dass einem davon das Herz
übergehen konnte.
Da begann Kajurukre eines Tages damit, den Indianern Geang und Musik
ans Herz zu legen. Aber so sehr er sich auch bemühte, die Indianer antworteten
immer wieder schwerfällig: „Sind wir denn Vögel? Die Fische hört man doch auch
nicht und es geht ihnen gut!“
Um gegen die wirbelnden Wasser des Ontario River bestehen
zu können, braucht man ein gutes Kanu. Eines aus der Rinde der gewaltigen
kanadischen Bäume. Mit ihnen gingen die Ojibway auf ihren Fischzug – und wenn
das Kanu besonders gut gelungen war, besangen sie es in einem Lied. Die Dakota
bewunderten die Schlauheit des Fuchses und ehrten ihn mit einem gewaltigen
Kopfschmuck und einem Lied; die Hopi lebten im trockenen und heißen Hochland
Arizonas und baten mit einem Tanz, bei dem die Akteure mit lebendigen Schlangen
im Mund tanzten, um Regen und Gesundheit. Wie überhaupt der Tanz eine wichtige
Rolle im Gesundheitssystem der nordamerikanischen Urbevölkerung spielte und
immer noch spielt. Der Medizinmann der Apachen tanzt um den Kranken, um die
bösen Geister zu vertreiben und bei den Navaho ist kaum eine Bereich des
alltäglichen Lebens frei von Musik.
„Indian Chants“ ist einen Sammlung von zwölf
Bearbeitungen indianischer Lieder und Tänze, denen der in Hannover als Komponist,
Lehrer und kultureller Tausendsassa wirkende Amerikaner George A. Speckert
wirkungsvolle und originelle Bearbeitungen für Streichquartett hat angedeihen
lassen. Das ungewöhnliche Sujet, verbunden mit einem schön zu lesenden und
informativen Anhang, der über die Lebensumstände der unterschiedlichen
Indianervölker Nordamerikas und Kanadas unterrichtet, dürfte seine
Anziehungskraft auf Kinder und Jugendliche nicht verfehlen. Mit diesen leicht
spielbaren und rhythmisch abwechslungsreichen Miniaturen können sie sich auf
eine ungewöhnliche Reise in ferne geographische und musikalische Regionen
begeben und dabei überraschende Entdeckungen machen. Dazu trägt auch Speckerts
an Aaron Copland und Steve Carter erinnernde Satzweise bei, die der Versuchung
ausweicht, so etwas wie indianische Mehrstimmigkeit herzustellen. Entstanden
ist auf diese Weise eine Mischung aus originalem Satz und impressionistischem
Klanggemälde.
Die technischen Anforderungen an die Spieler sind dabei
nicht allzu hoch, obwohl neben Flageoletteffekten auch Bogentechniken wie col legno und der schnelle Wechsel
zwischen gezupften und gestrichenen Tönen verlangt wird. Der Tonumfang
überschreitet in den Außenstimmen 1. Violine und Violoncello niemals zwei
Oktaven, in Ermangelung einer Bratsche lässt sich deren Stimme auch mit einer
dritten Geige besetzen.
George A. Speckert
Indian Chants für Streicher
Bärenreiter Verlag BA 9402
EUR 12,95
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen