Montag, 12. August 2013

George A. Speckert, Indian Chants für Streicher




„Lange zerbrach sich Kajurukre, der alles Nützliche brachte, den Kopf, wie er den Indianern die Langeweile erträglicher machen könne. Es mangelte ihnen an nichts, doch allzuoft saßen sie vor ihren Behausungen, wechselten kaum ein Wort miteinander, und ein Tag verging wie der andere. Die Vögel dagegen sangen Tag und Nacht und zwitscherten und schwatzten, dass einem davon das Herz übergehen konnte.

Da begann Kajurukre eines Tages damit, den Indianern Geang und Musik ans Herz zu legen. Aber so sehr er sich auch bemühte, die Indianer antworteten immer wieder schwerfällig: „Sind wir denn Vögel? Die Fische hört man doch auch nicht und es geht ihnen gut!“

Um gegen die wirbelnden Wasser des Ontario River bestehen zu können, braucht man ein gutes Kanu. Eines aus der Rinde der gewaltigen kanadischen Bäume. Mit ihnen gingen die Ojibway auf ihren Fischzug – und wenn das Kanu besonders gut gelungen war, besangen sie es in einem Lied. Die Dakota bewunderten die Schlauheit des Fuchses und ehrten ihn mit einem gewaltigen Kopfschmuck und einem Lied; die Hopi lebten im trockenen und heißen Hochland Arizonas und baten mit einem Tanz, bei dem die Akteure mit lebendigen Schlangen im Mund tanzten, um Regen und Gesundheit. Wie überhaupt der Tanz eine wichtige Rolle im Gesundheitssystem der nordamerikanischen Urbevölkerung spielte und immer noch spielt. Der Medizinmann der Apachen tanzt um den Kranken, um die bösen Geister zu vertreiben und bei den Navaho ist kaum eine Bereich des alltäglichen Lebens frei von Musik.

„Indian Chants“ ist einen Sammlung von zwölf Bearbeitungen indianischer Lieder und Tänze, denen der in Hannover als Komponist, Lehrer und kultureller Tausendsassa wirkende Amerikaner George A. Speckert wirkungsvolle und originelle Bearbeitungen für Streichquartett hat angedeihen lassen. Das ungewöhnliche Sujet, verbunden mit einem schön zu lesenden und informativen Anhang, der über die Lebensumstände der unterschiedlichen Indianervölker Nordamerikas und Kanadas unterrichtet, dürfte seine Anziehungskraft auf Kinder und Jugendliche nicht verfehlen. Mit diesen leicht spielbaren und rhythmisch abwechslungsreichen Miniaturen können sie sich auf eine ungewöhnliche Reise in ferne geographische und musikalische Regionen begeben und dabei überraschende Entdeckungen machen. Dazu trägt auch Speckerts an Aaron Copland und Steve Carter erinnernde Satzweise bei, die der Versuchung ausweicht, so etwas wie indianische Mehrstimmigkeit herzustellen. Entstanden ist auf diese Weise eine Mischung aus originalem Satz und impressionistischem Klanggemälde.

Die technischen Anforderungen an die Spieler sind dabei nicht allzu hoch, obwohl neben Flageoletteffekten auch Bogentechniken wie col legno und der schnelle Wechsel zwischen gezupften und gestrichenen Tönen verlangt wird. Der Tonumfang überschreitet in den Außenstimmen 1. Violine und Violoncello niemals zwei Oktaven, in Ermangelung einer Bratsche lässt sich deren Stimme auch mit einer dritten Geige besetzen.


George A. Speckert
Indian Chants für Streicher
Bärenreiter Verlag BA 9402
EUR 12,95


  

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