„Ich habe hier nicht keine ruhige stund, ich kann nichts schreiben als
nachts; mithin kann ich auch nicht früh aufstehen. Zu allen zeiten ist man auch
nicht aufgelegt zum arbeiten. Hinschmieren könnte ich freylich den ganzen tag
fort; aber so eine sach kommt in die welt hinaus, und da will ich halt, daß ich
mich nicht schämen darf, wenn mein Namm drauf steht. Dann bin ich auc, wie sie
wissen, gleich stuff wenn ich immer für ein instrument (das ich nicht leiden
kan) schreiben soll. Mithin habe ich zu zeiten um abzuwechseln was anders
gemacht, als Clavier duetti mit violin, und auch etwas an der Messe.“
Mozart an seinen Vater (Mannheim, 1778)
Dass Mozart mit Flötenmusik nicht allzu viel anfangen
konnte, wissen wir nicht zuletzt aus dem eingangs zitierten Brief an seinen
Vater, in dem er von einem Kompositionsauftrag für den niederländischen
Ostindienkaufmann Ferdinand Dejean berichtet – Flötenkonzerte und –quartette. Lieber
vertrieb er sich die Zeit damit, eine Reihe von Violinsonaten zu schreiben –
eben jene sechs Sonaten KV 301-306, die bereits 2003 in der Edition Peters als
Band 1 der praktischen Urtextausgabe erschienen sind. Schon damals schien der
Spagat zwischen wissenschaftlichem Urtext-Anspruch und Praxistauglichkeit
(Wendestellen, Übersichtlichkeit) geglückt.
In einem Kammermusik über Mozarts Violinsonaten zu
schreiben, hieße wohl, Eulen nach Athen oder Mozartkugeln nach Salzburg zu
tragen. Beschränken wir uns daher im Folgenden auf eine Betrachtung der bei
Peters erschienenen Neuausgabe.
Cliff Eisens informatives Vorwort gibt nicht nur dem in
Sachen Mozart möglicherweise noch wenig bewanderten Anfänger ein gehöriges
Rüstzeug zur Einordnung der Musik für Violine und Klavier – oder manchmal auch:
Klavier und Violine – und ihre stilsichere Interpretation mit auf den Weg, sie
liefert auch Anregungen für die weitergehende Beschäftigung mit Mozarts
Kammermusik. Der Kritische Bericht ist ebenfalls so ausführlich ausgefallen,
wie man es von einer Urtext-Ausgabe erwarten kann.
Im Vergleich zu anderen Urtext-Veröffentlichungen fällt
bei der Peters-Ausgabe zunächst das sehr gedrängt wirkende Notenbild auf: Hier
wurde offensichtlich um jeden Millimeter gekämpft. Das Ergebnis ist ein Druck,
der sich nicht ganz irritationsfrei vom Blatt spielen lässt, dafür aber ganze
Halbsätze auf zwei gegenüberliegenden Doppelseiten unterbringt und in dem auch
ansonsten jede Wendestelle genau kalkuliert erscheint – was wiederum vor allem
Tonmeister und andere geräuschempfindliche Zuhörer freuen wird.
Cliff Eisens Edition versteht sich nicht als „Fassung
letzter Hand“, sondern dokumentiert den Zustand eines Werkes im Augenblick der
Niederschrift. Wir wissen, dass Mozart selbst oft nachträglich Hand anlegte und
vor allem Verzierungen und Läufe gerne der spontanen Eingebung des Augenblicks
überließ – um sie eventuell in einem späteren Arbeitsgang etwa dem
Korrekturabzug einer für den Druck bestimmten Sonate hinzuzufügen. oft
betreffen diese Änderungen nur wenige Noten, zuweilen aber auch ganze Takte.
Ein möglicher Grund für die scheinbaren Widersprüchlichkeiten in den für
Urtext-Ausgaben herangezogenen Quellen.
Die Edition Peters entscheidet sich hier für die Fassung
des Autographs einschließlich ihrer charakteristischen Notation – etwa die
Doppelbehalsung polyphon gedachter Strukturen, Querstriche durch Noten (die
gebrochene Akkorde anzeigen) und die spezifische Balkensetzung Mozarts, die oft
einzelne Noten von Gruppen ähnlicher Noten absetzt, um Phrasenstruktur und
Akzentuierung zu verdeutlichen. Und auch für das Thema „Keil oder Punkt“ wird
eine in meinen Augen überzeugende Lösung gefunden, die zudem im Vorwort diskutiert
wird.
Wolfgang Amadé
Mozart
Violinsonaten KV 454, 481, 526 und 547 / Variationen KV
359 und 360
Herausgegeben von Cliff Eisen
Edition Peters
EP 7579c
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