Istvan Horvath-Thomas ist 1948 im ungarischen Pecs
geboren und hat dort zunächst Orgel und Klavier studiert, später Komposition in Budapest. 1972 gastierte
er mit einem Klaviertrio in Wiesbaden und kehrte– da war die Politik der
Entspannung in Ungarn schon weit vorangeschritten – seiner Heimat endgültig den
Rücken. Es folgten die üblichen Stationen eines Musikerlebens: Konzerte als
Solist und Kammermusikpartner, Aufnahmen für Rundfunk und Schallplatte und ein
paar Aufführungen seiner Werke. 1989 erhielt
er eine Auszeichnung für seine
Sinfonietta für grosses Orchester und war zwei Jahre später Gast der Lettischen
Philharmonie in Riga, wo sein Chorwerk Kreuzweg im Dom uraufgeführt wurde.
Wir finden in seiner Musik Parallelen zur ungarischen
Musik der Moderne – wobei hier eher das Vorbild Zoltán Kodály als Béla Bartók hervorscheint. Man spürt den versierten
Praktiker und Pädagogen in jedem Takt
heraus: Horvath-Thomas
weiß, was auf dem Klavier gut klingt und auch für wenig erfahrene
Klavierspieler zu machen ist. Seine musikalische Sprache ist tonal und
übersichtlich; kein Akkord, den nicht auch bereits Robert Schumann verwendet
hätte.
Sein schräger
Humor, der ihn auch mit dem älteren Landsmann György Ligeti verbindet, erweist
sich unter anderem in der Wahl seiner Titel: „Sportszenen“ und „Studien zur
Verhaltensforschung“ – im post-post-modernen 21. Jahrhundert ist alles erlaubt.
Werfen wir einen
Blick in die beiden Hefte:
„Sportszenen“, das ist komponiertes Olympia (weshalb wohl auch die
Satzüberschriften in französischer Sprache mitgeteilt sind – dem seligen Baron
de Coubertin zum Angedenken): klar, dass die linke Hand beim „Tischtennis“
beständige Sprünge von der einen auf die andere Seite der Klaviatur zu leisten
hat (während die rechte in unbeirrten Sechzehnteln den Ball laufen lässt). Eine
gewichtige Armada von vollgriffigen B-Dur-Akkorden lässt die „Ringer“
auftreten, der „100-meter-Schnelllauf“ ist selbstverständlich unter zehn
Sekunden zu spielen, beim „Fechten“ heißt es auf Zack zu sein und die
akzentuierten Sekundgriffe (wer denkt da nicht an den „Sekundanten“?) zielgenau
zu setzen, bevor ein furioses Oktavengewitter den Eindruck erweckt, hier hätten
die wattierten Florettfechter das Instrument gewechselt und prügelten
stattdessen mit schottischen Zweihändern aufeinander ein. Ein großes Vergnügen
für bewegungsaffine Pianisten und eine tolle Sammlung von Stücken für
Unterricht und Vorspielabend. Für ein „richtiges“ Konzert eventuell etwas zu
leichtgewichtig – aber wenn man es mit Rossini koppeln würde…
Die „Studien zur
Verhaltensforschung“ scheinen für ein etwas jüngeres Publikum geschrieben zu
sein. „Spiel mit dem Ball“, „Fahrt mit der Eisenbahn“, Traurig“, „Unbändig“,
„Verzicht“, „Unruhe“ – das sind mehr oder minder die klassischen Sujets der
Klavierpädagogik. Der erste Eindruck ist der eines bunten stilistischen
Panoptikums: Anklänge an Jazz- und Pop-Harmonien durchziehen das „Ballspiel“,
Schumann’sche Sperrigkeit begegnet uns in den eigenwilligen Synkopen der
ausdrücklich als „Etüde“ gekennzeichneten „Unruhe“, volksliedhafte Melancholie
mit hohem Balkan-Einschlag in „Traurig“ oder eine fröhliche „Dur-Feier“ in der
„Fahrt mit der Eisenbahn“. Leichter zu spielen als die mittelschweren
„Sportszenen“ eignen sie sich ebenfalls für den Unterricht und dürften nach
einem Schüler am Ende des zweiten Jahres keine Rätsel mehr aufgeben.
Istvan
Horvath-Thomas
Sportszenen – 6 Humoresken für Klavier solo (NM 773)
Studien zur Verhaltensforschung (NM 774)
Verlag Neue Musik
EUR 18,80 (NM 773) / EUR 9,50 (NM 774)
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