„Anbei finden Sie etwas
allerleichtestes, einfachstes u. sehr melodiöses… Doch bitte ich Sie sehr,
dieses kleine unscheinbare Heftchen op. 77a nicht „von der Seite“ ansehen zu
wollen, da op. 77a für jeden Fall dazu geeignet sein wird, mir sehr viele neue
Freunde zu erwerben u. endlich mal jene Igonranten ein bißchen zum Schweigen
bringen wird, welche da behaupten, daß ich nur ‚kompliziert‘ schreiben könnte
u. den ‚Mangel an Einfällen‘, den ‚Mangel an Gemüth‘ durch ‚Wust und
Compliziertheit‘ verdecken ‚müßte‘!“
Max Reger an seine Verleger Lauterbach & Kuhn
Ein erklärter Publikumsliebling wird Max Reger wohl nicht
mehr werden – zu komplex ist diese musikalische Ausnahmeerscheinung des fin de
siecle. Er war ein bedeutender Komponist, der ein erstaunlich umfangreiches
Gesamtwerk hinterlassen hat – und dessen Musik sehr selten aufgeführt wird.
1973 scheiterte eine zur Würdigung seines hundertsten Geburtstags geplante
Gesamteinspielung seiner Werke auf Schallplatte auch daran, dass sich nicht
genügend erstrangige Interpreten finden ließen, die sich auf das Abenteuer
Reger einlassen wollten.
Vielleicht hat die bis in unsere Tage reichende Vernachlässigung
Regers etwas mit der Entwicklung einer noch weiter gehenden Musiksprache zu
tun, die schon zu Lebzeiten einsetzte und die Regers Musik mit einem Mal als
„(zu)spätromantisch“ und überkommen erschienen ließ. Und wem Reger bereits
vorher zu radikal gewesen war, der sah bei Johannes Brahms bereits das Ende der
genießbaren Musik gekommen. Dass Reger unter den Angriffen, denen er und seine
Musik ausgesetzt waren, gelitten hat (zumal diese durch die vernichtenden
Urteile seines verehrten Lehrers und Mentors Hugo Riemann verstärkt wurden),
lässt sich auch aus dem eingangs zitierten Brief an seine Verleger lesen, in
dem sich der sonst um kein derbes Wort verlegene Meister ungewohnt dünnhäutig
zeigt.
Sein Ringen um Anerkennung äußert sich in den vorliegenden
Trios für Flöte, Violine und Bratsche – einer im 19. Jahrhundert sehr selten
gebrauchte Besetzung – die sich natürlich auf Beethovens frühe Serenade op. 25
beziehen. Alles wirkt hier gelöster und weniger grüblerisch als in seinen
symphonischen Werken oder dem für die großen Orchesterorgeln des 19.
Jahrhunderts geschriebenen Orgelwerke – gelegentlich blitzt sogar ein Anflug
von Humor durch die gelichtete Polyphonie im erstaunlich ungetrübtem D-Dur der
ersten Serenade. Mit der zweiten, zehn Jahre später (1915) komponierten, Serenade in G-Dur sah bei sich selbst den
„freien, jenaischen Stil“ angebrochen. An Stelle Beethovens stand hier gleich
Mozart Pate, den man am Ende des wilhelminischen Zeitalters gerne als
apollonisch-heiteren Lichtbringer sah.
Die vorliegende Ausgabe basiert im Wesentlichen auf der
von Reger selbst korrigierten Taschenpartitur und bietet selbstverständlich
alles Annehmlichkeiten einer modernen Urtextausgabe. Für den Fall einer
(bereits von Reger angeregten) Besetzung mit zwei Violinen enthält die von
Michael Kube verantwortete Ausgabe im
Falle von op. 141a sogar eine vom Komponisten neu eingerichtete Violinstimme,
die sich vornehmlich durch eine andere Bogensetzung und „ein paar kleine
Änderungen“ auszeichnet.
Max Reger
Serenaden op. 77 und 141a für Flöte (Violine), Violine
und Viola
Herausgegeben von Michael Kube
G. Henle Verlag
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen